Die Liebe in den Sternen

Elisabeth Wiesner

Da ich nun schon einmal im Fluss bin, erhalten Sie Frau Wiesner im Doppelpack. Lesen Sie hier die Rezension des aktuellen Buches, frisch veröffentlicht in 2023.

Nachdem wir uns im ersten Buch mit uns selbst und der inneren Balance auseinandergesetzt haben, geht es im Folgeband darum, mit dem Gegenüber im Außen klar zu kommen, speziell in der Liebe. Das ist natürlich sinnvoll, denn wie wir von Herrn C.G. Jung wissen, finden wir ja oft unsere inneren Widersprüche oder gar Schattenseiten beim Partner oder der Partnerin wieder.

Es ist ein ungewöhnliches Buch über die Liebe und ein ungewöhnliches Buch über die Astrologie. Und es ist ein Buch, das die beiden auf nicht ganz gewöhnliche Weise zusammenbringt. Als Leser können Sie nicht nur etwas über sich und Ihre Art zu lieben lernen, sondern auch gleich einiges darüber, wie die Astrologie funktioniert.

Es ist mit Sicherheit kein astrologisches Kochbuch und kein astrologischer Beziehungsratgeber.

Was ist es also für ein Buch?

Elisabeth Wiesner lässt uns Leser an ihrer Suche nach der Liebe im Horoskop teilhaben und an dem Weg zur Astrologie über die Liebe:

Warum sollte man den Weg zur Astrologie nicht über das Thema Liebe suchen? Ich wünsche dir viel Mut und zunehmende Klarheit beim Neuzusammensetzen deiner Vorstellungen von der Astrologie und auch von der Liebe. Denn eines ist sicher: Ohne Liebe ist alles nichts. Wenigstens die Liebe zu dir selbst sollte wachsen dürfen. Dann erst nämlich darf die Liebe im Außen beginnen zu blühen. Und als Hilfsmittel zu beidem bietet sich Astrologie auf vortreffliche Weise an!

Ich gebe zu, dass mich diese Einleitung zugleich verwirrt und neugierig macht. Doch vielleicht ist das ja die Intention der Autorin? Also bleibe ich dran und lese weiter.

Im ersten Teil führt uns die Autorin geduldig durch die ersten Schritte zur Astrologie. Sie erklärt, was Sternzeichen (Bitte, bitte, Frau Wiesner, sagen Sie doch ʺTierkreiszeichenʺ! Aber ich weiß, ʺSternzeichenʺ ist für Laien zugänglicher...Also, fahren Sie fort.), Häuser und Planeten sind und wie sie in der Astrologie verwendet werden. Aspekte werden nur angerissen, da das in dem Rahmen doch zu kompliziert werden würde. Schließlich haben wir Großes vor: wir wollen der Astrologie und der Liebe auf die Spur kommen.

Als erstes begegnen wir Venus, der Göttin der Liebe. Vermutlich können sich alle Astrologiebücher über die Liebe darauf einigen, dass Venus definitiv mit der Liebe im Horoskop zu tun hat - ja, auch bei Männern. Ein guter Anfang also. Wir lernen hier, dass die mythologische Venus nicht nur die ʺLiebende, Sinnliche, Begehrteʺ war, sondern es auch faustdick hinter den Ohren hatte. Denn in Liebesdingen war die Gute alles andere als passiv. Sie wusste ganz genau, was sie wollte und wie sie es bekam, ob es sich dabei um Liebespartner, Sex, Schmuck oder Besitz handelte. Dabei waren ihre Methoden oft alles andere als hasenrein.

Venus ist aber deswegen keine unsympathische Göttin, nur weil sie sich nimmt, was sie sich wünscht. Im Gegenteil, sie ist allzeit hochverehrt. Denn seien wir ehrlich, wer möchte keinen guten Sex, wer würde das dicke Bankkonto oder die Juwelen in den Orkus spülen, würden sie einem begegnen?

Wir lernen aber auch gleich, dass Venus nicht das einzige Element im Horoskop ist, das wir anschauen müssen, um die Liebe darin zu finden. Im Gegenteil! Die Autorin ist fest davon überzeugt, dass in jedem Zeichen, in jedem Haus und in jedem Planeten das Potenzial steckt, uns diesem Mysterium näher zu bringen.

Ungewöhnlicherweise beginnt sie ihre Reise durch den Tier-, Häuser- und Planetenkreis bei der Waage und dem siebten Haus und nicht beim Widder und dem ersten Haus. Was wiederum doch nicht so abwegig ist, da … tadaaaahhhh … die Venus über das Zeichen Waage und das siebte Haus herrscht.

Jedes Kapitel ist nun folgendermaßen aufgebaut:

• Zeichen - ʺEin Sternzeichen ist ein Energiefeld. Jedes Zeichen eröffnet einen ganz speziellen Raum für etwas, das nur dieses eine Zeichen kann.ʺ
• Haus - Das Haus im Horoskop steht für einen bestimmten Lebensbereich, so ist die ʺPartnerschaftʺ zum Beispiel im siebten Haus zu finden.
• Planet - ʺJeder Planet, also jeder der ʹGötter’, die in einem Horoskop wohnen, hat eine besondere Affinität zu einem bestimmten Sternzeichen.ʺ
• Lovestory - Hier schildert die Autorin jeweils eine Episode einer Liebesbeziehung, in der eine äußere Situation, aber auch innere Prozesse beschrieben werden. In dezentem Grauton erfolgt sogleich die astrologische Analyse und Erklärung. Ebenso ein paar nützliche Tipps und Handlungsimpulse, die jedoch nie aufdringlich oder besserwisserisch wirken.

Als Leserin fühle ich mich auf jeder Ebene an die Hand genommen. Die Beschreibungen der astrologischen Elemente enthalten viele Beispiele und mögliche Geschichten oder Szenarien. Sie sind anschaulich, humorvoll und liebevoll geschrieben. Auf diese Weise lerne ich sozusagen en passant, im Vorübergehen, die Astrologie - und die Liebe auch!

Wer hat denn schon geahnt, dass die Liebe so viele Facetten haben kann?

Und dass die auch noch alle unterschiedlich bei den Leuten verteilt sind?

Dass die Liebe auch immer mit unseren Vorstellungen vom anderen zu tun hat?

Und dass wir als erstes lernen müssen, auf uns selbst zu hören und was uns am besten tut?

Huch, das alles ist Liebe?

Am Leben orientiert

Im Ernst, Elisabeth Wiesner schafft es, die archetypischen Eigenschaften aller Zeichen, Häuser und Planeten, die jeder in sich spüren (oder zumindest entdecken) kann, bildlich und zugänglich zu vermitteln. So heißt es beim Skorpion:

Skorpionisch tiefe Beziehungen glückbringend einzugehen erfordert von beiden Partnern ausreichend Sicherheit in sich selbst zu finden, um Machtspielen und Manipulationen vorzubeugen. Dann ist skorpionische Liebe ein Glück und eine Bereicherung, welche uns verzaubert und verwandelt, wie wir es alleine nicht hinbekommen würden.

Sie vermittelt eine Astrologie, die am Menschen und am Leben orientiert ist.

Das Allerwichtigste ist aber immer, die Person zu fragen, ob sie überhaupt ein Problem mit den von dir gefundenen Diagnosen hat. Das muss nämlich überhaupt nicht so sein. Das wird in der Astrologie nur allzu häufig vergessen und schadet dem Ruf der Astrologie, wie ich finde, ungemein.

Manche Lovestories haben mich derart berührt, dass ich einen Moment schlucken musste. Offenbar fühlte sich ein klitzekleiner Teil in mir angesprochen, und zwar nicht nur von dieser:

Im Übrigen machte Karin eines der intelligentesten Dinge, die man meines Wissens in einer Partnerschaft tun kann. Sie hat sich genau das, was sie an Eddie so bewundert, selbst zu eigen gemacht.

Na, wenn das kein Kompliment ist! Spricht hier vielleicht mein Löwe Aszendent?

Nein, wirklich: Immer wieder hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass die archetypischen Prinzipien in einem Zustand der absoluten Versenkung in das jeweilige Zeichen, Haus oder den Planeten geschrieben wurden. Ich spüre förmlich das Eintauchen der Autorin und erlebe es beim Lesen mit.

Auch findet die Autorin erfrischende, ungewöhnliche Bilder für die Archetypen, die sicher nicht in jedem durchschnittlichen Astro-Lehrbuch auftauchen.

Pluto führt uns aufs Glatteis, damit wir Eiskunstlauf erlernen.

Köstlich! Und weiter:

Wenn es gutgeht, dann wachsen wir an den Anforderungen Plutos. Er lockt uns aus unserer Komfortzone, die wir ohne ihn nicht verlassen würden.

Oder:

Steinbock ist unser Garant für Beständigkeit.

Liebevolle Gestaltung und Klarheit in der Struktur

Es sind auch die Kleinigkeiten, die das Buch zu einem Lesegenuss machen. Zum Beispiel hat jedes Zeichen, Haus und jeder Planet einen Satz oder ein Wort, das die zentrale Botschaft zum Ausdruck bringt. So titelt

• das 7. Haus ʺAuf Augenhöheʺ
• der Skorpion ʺLeidenschaftʺ und das 8. Haus ʺVon dir komm ich nicht losʺ
• Jupiter ʺDie Welt aus den Angeln hebenʺ
• der Steinbock ʺVerlass dich auf michʺ
• Uranus ʺGeistesverwandtschaftenʺ
• Fische ʺWir sind eins miteinanderʺ
• Mars ʺIch will dich!ʺ
• Stier ʺWollust und Begierdeʺ
• das 3. Haus ʺWie tickst du?ʺ
• der Mond ʺGeborgenheitʺ und Krebs ʺSeelen im Einklangʺ
• die Sonne ʺSelbstverwirklichungʺ
• und das 6. Haus ʺMachen wir uns nichts vorʺ.

Und das sind bei weitem nicht alle Facetten, wie sich die Liebe im Horoskop zeigen kann.

Besondere Erwähnung verdienen die wunderbaren Illustrationen. Sie sind super süß! Einfache Strichzeichnungen, fast wie Kinderzeichnungen, aber unglaublich ausdrucksstark! Mit Carmelo Perez Alvarez hat Frau Wiesner den perfekten Illustrator für ihr Buch gefunden.

Nicht zuletzt finde ich bemerkenswert, dass die Autorin trotz der thematischen Ähnlichkeiten zwischen Tierkreiszeichen, Häusern und Planeten klar die unterschiedlichen Qualitäten benennt: Zeichen - wie? Haus - wo? Planet - was? Sehr häufig wird dies von Astrologen in einen Topf geworfen, was der wertvollen Differenzierung, die Astrologie ermöglicht, keinen Gefallen tut.

Subtile Paarberatung und Individuation

Wie schon erwähnt, fußt Elisabeth Wiesners Auffassung von Beziehungen und Liebe, und auch von Astrologie, tief in Jungscher Psychologie. Mit viel Feingefühl und Humor erhellt sie die Mechanismen von Projektion und Schattenthemen.

Dass uns anfangs fasziniert, was später nervt, ist ein weit verbreitetes Muster und keinesfalls auf die Energie eines einzelnen Zeichens beschränkt. Es ist immer eine Aufforderung, auch in uns selbst ein wenig von dem ins Leben zu holen, was wir am Partner so bewundernswert finden, um diesem Muster entgegenzuwirken.

Sie lässt konstruktive Hinweise und Impulse einfließen, wie man die Eigenschaften des anderen annehmen und für sich selbst, die Beziehung und den Partner konstruktiv nutzen kann.

Solch unterschiedlichen psychologischen Anlagen auf die Spur zu kommen, dafür ist Astrologie wirklich eine fantastische Hilfe. Wenn zwei sehr unterschiedliche Menschen ihre jeweiligen Eigenschaften auf diese Weise erkennen können, muss die Liebe nicht leiden.

Und wie eben ein Partner oft zurückspiegelt, was ich an mir selbst nicht sehen (oder leiden) kann, gibt die Autorin auch immer wieder Hinweise, wie wir selbst Anteile, die überhand nehmen, ausgleichen können, indem wir uns am gegenüberliegenden Zeichen orientieren. Wer mehr dazu wissen möchte, besorge sich das vorige Buch von Frau Wiesner ʺBalance finden mit astrologischen Archetypenʺ. Lesen Sie gerne auch die Rezension.

Es geht also immer auch um Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung. Immer wieder bringt sie uns vom Partner und der Partnerschaft zu uns selbst zurück: Suche deinen Wert nicht in der Anerkennung durch den anderen, sondern finde ihn in dir selbst.

Tu selbst, was dir guttut, sei es dir wert!

Oder:

Alles dient der Sonne, unserer Selbstverwirklichung und Bewusstwerdung. So dient auch jede Beziehung dazu, uns unserer selbst bewusst zu werden. Jede Begegnung ist eine Chance für neues Selbstbewusstsein. Ohne Begegnungen kann niemand ein vollständiges Bewusstwerden von sich selbst erlangen. Wir brauchen einander, um ganz zu werden.

Auf den Punkt gebracht:

Denn - wir wissen das - nur zwei ganze Menschen sind ein Paar.

Und wo genau ist die Liebe jetzt?

… fragt sich die Autorin am Ende.

Es ist also nicht die Liebe, die wir in den Sternen finden können. Diese Erkenntnis nach der Lektüre so vieler Seiten! Die Liebe finden wir im Horoskop sicher nicht. Wir finden aber wertvolle Hinweise in den Sternen, wie wir die Liebe erhalten und pflegen können, wenn sie uns begegnet.

Die Astrologie zeigt Ihnen nicht die Liebe - sie steht nicht im Horoskop. Die Liebe kommt zuerst, durch Anziehung, Intuition, Magie. Doch wenn sie erstmal da ist, kann die Astrologie helfen, das Beste daraus zu machen, sich selbst und den Partner besser kennenzulernen und gemeinsam an der Paarbeziehung zu wachsen.

Wir lieben, wen wir lieben - und können die Liebe durch Selbsterkenntnis und Achtsamkeit versuchen zu hegen und pflegen, damit sie bei uns bleiben mag.

Was??? Hab ich mich für diese Erkenntnis wirklich durch das ganze Buch geackert?

JA!!! Denn ganz ehrlich: es war deutlich mehr Vergnügen als Arbeit. Und eine tiefere Weisheit kann ein Astrologiebuch über die Liebe nicht vermitteln.